03/03/2022

Ethos befürchtet, dass die Statutenänderungen im Zusammenhang mit der Revision des Obligationenrechts manche Unternehmen veranlassen könnten, den für die Traktandierung eines Verhandlungsgegenstandes nötigen Schwellenwert heraufzusetzen. Dies schlägt jedenfalls Swiss Prime Site vor, das als erstes Unternehmen im SPI seine Statuten anpasst. Ethos fordert deshalb die Aktionäre auf, sich gegen diese Verschlechterung ihrer Rechte auszusprechen und den Punkt 7.1 der Traktandenliste abzulehnen. Ethos zeigt sich ferner besorgt darüber, dass nur wenige Unternehmen in diesem Jahr eine physische Generalversammlung durchführen wollen, obwohl die Beschränkungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie aufgehoben worden sind. Die Aktionäre können so von ihrem Recht, ihre Meinung zu äussern und dem Verwaltungsrat Fragen zu stellen, nicht Gebrauch machen. 

Die Generalversammlungssaison 2022 hat eben erst begonnen und gibt schon Anlass zu Sorgen. Insbesondere könnte die Revision des schweizerischen Obligationenrechts eine unerwünschte Wirkung haben und zu einer Verschlechterung bestimmter Aktionärsrechte führen. Gemäss dem revidierten Obligationenrecht haben Aktionäre, die 0,5% des Unternehmenskapitals halten, das Recht, einen Verhandlungsgegenstand an der Generalversammlung traktandieren zu lassen. Derzeit wird dieser Schwellenwert bei den meisten Unternehmen als Nennwert des Kapitals ausgedrückt. 23 der 48 Unternehmen im SMI Expanded haben gegenwärtig einen Schwellenwert, der unter 0,5% des Aktienkapitals liegt. Die Änderung im Obligationenrecht könnte daher zur Folge haben, die Traktandierung eines Verhandlungsgegenstandes durch die Aktionäre in Zukunft zu erschweren (siehe Liste der betroffenen Unternehmen).

Die meisten Unternehmen werden bis 2023 warten, bevor sie ihre Statuten an das revidierte Obligationenrecht anpassen. Das Immobilienunternehmen Swiss Prime Site hingegen schlägt schon an seiner Generalversammlung vom 23. März 2022 eine Statutenänderung vor. Dabei will es insbesondere den für die Einreichung eines Aktionärsantrags nötigen Schwellenwert auf 0,5% seines Aktienkapitals festsetzen, anstelle des derzeitigen Nennwerts von CHF 500'000, der 0,04% des Aktienkapitals darstellt. Wird diese Statutenänderung genehmigt, werden die Aktionärsrechte erheblich geschwächt. Die Aktionäre müssten nämlich 20-mal mehr Aktienkapital als bisher halten, um die Traktandierung von Verhandlungsgegenständen zu verlangen. «Nichts hindert jedoch die Unternehmen daran, einen niedrigeren Schwellenwert als den im revidierten Obligationenrecht vorgesehenen beizubehalten», betont Vincent Kaufmann, Direktor von Ethos.

Ethos stellt ausserdem mit Bedauern fest, dass die Traktandenliste des Unternehmens irreführend ist. Diese gibt nämlich an, dass die unter Punkt 7.1 der Traktandenliste vorgeschlagenen Änderungen die Aktionärsrechte stärken. Dies stimmt zwar in Bezug auf die Änderung hinsichtlich der Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung (der Schwellenwert würde hier von 10% auf 5% des Aktienkapitals sinken), gilt aber nicht für das Recht der Aktionäre, einen Verhandlungsgegenstand traktandieren zu lassen. Ethos empfiehlt daher den Aktionären von Swiss Prime Site, den Punkt 7.1 der Traktandenliste abzulehnen und gegenüber Unternehmen, die ihre Statuten in diesem oder dem kommenden Jahr ändern, sehr aufmerksam zu bleiben. 

Ethos fordert die Rückkehr zu physischen Generalversammlungen 

Ein weiterer Aspekt, der in diesem Jahre die Besorgnis von Ethos erregt, ist die Durchführung der Generalversammlungen. Dies ist das dritte Jahr in Folge, in dem die Generalversammlungssaison unter dem Regime der Covid-Verordnung abläuft. Diese gibt den Unternehmen die Möglichkeit, ihre Generalversammlungen ohne die physische Teilnahme der Aktionäre abzuhalten. Obwohl der Bundesrat im Februar die Beschränkungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie weitgehend aufgehoben hat, kommen die Unternehmen immer noch in den Genuss einer Vorzugsregelung, welche die Aktionärsdemokratie stark beschneidet. 

Die Aktionäre können nämlich weiterhin weder an der Generalversammlung intervenieren noch dem Verwaltungsrat direkt Fragen stellen. Diese Situation ist insbesondere bei Unternehmen problematisch, deren Geschäfte bei ihren Aktionären zahlreiche Fragen aufgeworfen haben, wie etwa bei der Credit Suisse in den letzten Monaten. 

Ethos bedauert diese Situation sehr und fordert die Unternehmen auf, ihre Haltung zu überdenken und die physische Teilnahme ihrer Aktionäre an den Generalversammlungen zu ermöglichen, insbesondere an denjenigen, die ab April 2022 stattfinden (natürlich unter Einhaltung der grundlegenden Gesundheitsmassnahmen).

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